Von Jan-Philipp Lautebach am 5. Mai 2020

Die EU Restrukturierungsrichtlinie – neue Ansätze für Unternehmenssanierungen?

Zum 20. Juni 2019 trat die Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) in Kraft. Als europäische Richtlinie nach Art. 288 Abs.3 AEUV ist sie nicht sofort wirksam, sondern muss erst durch die Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Dies soll zunächst bis zum 17. Juli 2021 geschehen, wobei eine Verlängerung dieser Frist noch möglich ist.

Was soll die neue Richtlinie eigentlich bewirken?

Ziel der Richtlinie ist es, ein neues, einheitliches und europaweit geltendes Sanierungsrecht zu schaffen. Hierzu sollen neue Restrukturierungsinstrumente eingeführt und die jeweiligen Gesetzeslagen harmonisiert werden, ohne gleichzeitig die Grundrechte und Grundfreiheiten der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen. Inhaltlich ist die Richtlinie in fünf Abschnitte aufgeteilt, auch Titel genannt. Diese erfassen den Zeitraum vor der Zahlungsunfähigkeit bis hin zur endgültigen Entschuldung. Besonderes Augenmerk verdient hierbei der Titel II, der lange bevor es zu einer Einleitung eines Insolvenzverfahrens kommt, ein präventives Restrukturierungsverfahren vorsieht. Dessen Aufgabe soll wiederum sein, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu erhalten, Arbeitsplätze zu retten und gleichzeitig einen ausgewogenen Interessenausgleich mit allen Gläubigern zu finden.

Maßnahmen sollen bereits vor der Insolvenz ansetzen

Eine gesondertes Restrukturierungsverfahren, wie es die Richtlinie in Titel II vorgibt, ist dem deutschen Sanierungs- und Insolvenzrecht zunächst gänzlich neu. Das Verfahren lässt sich am ehesten mit der Insolvenz in Eigenverwaltung vergleichen. Noch vor dem Eintreten der Voraussetzungen einer Insolvenz sollen Unternehmen eigenständig und anhand eines Restrukturierungsplans, ihre Sanierung einleiten. Dies soll im Dialog mit den Gläubigern geschehen und deren Bedürfnissen ausreichend Raum verschaffen.

Damit der Restrukturierungsplan für alle Beteiligten auch verbindlich ist, sollen die Justiz- oder Verwaltungsbehörden den Restrukturierungsplan „bestätigen“. Für die Überwachung der Restrukturierungsmaßnahmen soll ein „Restrukturierungsbeauftragter“ eingesetzt werden. Sollte die Restrukturierung später scheitern, sind sanierende Maßnahmen, wie zum Beispiel Zwischenfinanzierungen, besonders geschützt. Darüber hinaus sollen Einzelvollstreckungsmaßnahmen auf Antrag ausgesetzt werden können. Im Regelfall besteht während dieser Aussetzung auch keine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags bestehen.

Was wird der Gesetzgeber tun?

Die Umsetzung der Richtlinie wird schrittweise erfolgen, da die vorgegebenen Veränderungen tief in die aktuelle Insolvenzordnung und das Vollstreckungsrecht eingreifen Außerdem müssen für die staatliche Erfassung von Restrukturierungsplänen neue Strukturen geschaffen werden. Es kann wohl damit gerechnet werden, dass der Gesetzgeber eine Restrukturierungsordnung einführen wird. Erste Schritte ist der Gesetzgeber bereits gegangen. Aus einem aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz ist zu erkennen, dass zunächst eine Verkürzung des regelmäßigen Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre erfolgen soll. Sondervoraussetzungen, wie zum Beispiel die Deckung der Verfahrenskosten, sollen nicht mehr notwendig sein. Weitere Referentenentwürfe, besonders zu genannten Restrukturierungsvorschriften, sollen bis Frühjahr 2020 erfolgen. Ob der Gesetzgeber diesen Zeitrahmen in der aktuellen Corona- Krisensituation tatsächlich einhalten kann, muss bezweifelt werden.

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